
Güterzusammenlegung in Calonico und Campiroi
Im Tessin galt bis 1800 für Grundstücke von Privatpersonen das sogenannte "Realerbteilungsrecht", bei dem das Vermögen zu gleichen Teilen unter den Erbberechtigten aufgeteilt wurde. Diese Teilung erfolgte bei jeder Erbschaft, so dass die Grundstücke immer kleiner wurden. Im Tessin war die Fragmentierung sehr hoch: zum Beispiel wurden Anfang des 20. Jahrhunderts die 30.000 Hektar Land von Privatpersonen (Wiesen, Felder, Weinberge, Wälder), in 717.000 Parzellen aufgeteilt, oder durchschnittlich 24 Parzellen pro Hektar (415 m2 / Parzelle). In der Leventina und im Bleniotal waren es sogar 34 Parzellen pro Hektar (300 m2 / Parzelle). Diese übermäßige Parzellierung führte dazu, dass eine rationelle Nutzung der landwirtschaftlichen Aktivitäten nicht mehr möglich war und die Produktivität erheblich sank (ganz zu schweigen von den enormen Schwierigkeiten bei der Vermessung der Parzellen und deren Eintragung in das Grundbuch). Hier das Beispiel der "Monti di Co'" unweit von Campiroi gelegen, wo das Territorium in 689 Parzellen aufgeteilt wurde (die nicht parzellierten Flächen stellen Land dar, das den Patriziern gehört)

Um hier Abhilfe zu schaffen, haben Bund und Kantone die notwendigen Rechtsgrundlagen geschaffen, um die Güterzusammenlegung, (auch Güterregulierung, Landumlegung oder Arrondierung genannt) zu ermöglichen die darin besteht die landwirtschaftlichen Parzellen einer Gemeinde neu zu ordnen mit dem Ziel, deren Anzahl zu reduzieren, um ihre Rentabilität zu steigern.
1893 erliess der Bund ein Gesetz zur Förderung der Landwirtschaft und zur Verbesserung der Landnutzung, 1912 folgte ein Gesetz zur Vereinheitlichung der Erbrechtpraxis in allen Kantonen. Im Tessin wurde das erste Gesetz über die Landumlegung im Jahr 1912 eingeführt, gefolgt von Änderungen in den Jahren 1920, 1949, 1970 und folgende. Gleichzeitig wurde der finanzielle Rahmen für die Unterstützung der Aktivitäten und die Aufteilung der Kosten zwischen Bund, Kanton und Privatpersonen festgelegt.
Die Gemeinde Calonico führte eine Güterzusammenlegung auf den Monti di Co’ in den Jahren 1924-1928 durch, gefolgt von einer weiteren Landgruppierung in den Jahren 1948-1949 für das übrige Gebiet von Calonico. Das Ergebnis für Calonico ist unten zu sehen. Die Anzahl der Parzellen in den Monti di Co' wurde von 689 auf 28 reduziert! Im gesamten Bezirk Calonico nahm die Anzahl der Parzellen von rund 6000 auf etwa 300 ab. Ausserdem wurden mehreren Kilometer Straßen gebaut, um die Grundstücke zu erreichen (vgl. die erste Karte mit der folgenden).

Die amtliche Vermessung wurde in Calonico nach der Güterzusammenlegung zwischen 1927 und 1961 in mehreren Etappen mit zwei verschiedenen Methoden durchgeführt: einmal mit der herkömmlichen Landvermessung und einmal mit der luftphotogrammetrischen Methode, eine Schweizer Premiere in einer Bergregion! Bei dieser Technik werden Fotoausrüstungen an Flugzeugen angebracht, die über dem zu beobachtenden Gebiet fliegen; die erhaltenen Daten werden dann interpoliert, um die Entfernung zwischen den verschiedenen Punkten auf dem Gebiet zu ermitteln.

Eidgenössische und Kantonsbehörden in Calonico um 1950 im Gespräch
Obwohl Campiroi hauptsächlich von Bauern aus der Gemeinde Calonico genutzt wurde, war es Teil der Gemeinde Rossura. Die Landumlegung in Rossura erfolgte sehr spät, in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Bundesverwaltung bezweifelte zunächst den Nutzen der Güterzusammenlegung, da nur noch wenige Bauern an der Landbewirtschaftung interessiert waren.
Die Fernsehsendung "Argomenti" vom 1. Oktober 1980 titelte nach der endgültigen Zustimmung durch den Tessiner Grossen Rat einen Bericht mit der Überschrift "Rossura, 5 Millionen für zehn Bauern" und verwies auf die Kosten von 4,3 Millionen Franken für die Strasse und 700 Tausend Franken für die Güterzusammenlegung.
Hier folgende wird die Situation vor und nach der Güterzusammenlegung für das Gebiet Campiroi dargestellt. Die dicken schwarzen Linien stellen die Situation nach der Güterzusammenlegung dar.

Von: 1) Dokumente des Ufficio del Catasto e dei riordini fondiari, Dipartimento delle finanze e dell’economia, Ticino, 2) «I raggruppamenti Terreni in Ticino», Forrer M., 1986 3) Dizionario Storico della Svizzera (DSS), 4) “Die Besonderheiten der Grundbuchvermessung und Güterzusammenlegung im Kanton Tessin”, Baltensberger J., 1927 5) “La photogrammétrie aérienne dans la mensuration cadastrale officielle de Calonico», Pastorelli A. 1952.